Über die Einsamkeit beim Bikepacking

Über die Einsamkeit beim Bikepacking

Ein Artikel aus der Reihe "Leonard Schlüren auf der Reise von Alaska nach New York"

In der Mitte des 700 km langen Stewart-Cassiar Highways war es dann endgültig so weit: Ich fühlte mich einsam. Seit Tagen schon hatte ich niemanden mehr gesehen, kein Dorf und auch keine Tankstellen lagen auf meinem Weg. Das Wetter war auch nicht optimal, einige Regenschauer sorgten dafür, dass meine gesamte Ausrüstung feucht war, und auch nicht so schnell trocknete.

Nach all den anderen Artikeln, bei denen ich vor allem über die technischen Aspekte der Reise berichtete, möchte ich hier nun darauf eingehen, wie sich die Reise für mich anfühlt. Viele Leute prophezeiten mir Einsamkeit, oder sagten einfach: „8000 Kilometer sind das eine, aber alleine würde ich mich das nicht trauen.“ Warum also fahre ich nicht mit einem Reisepartner?

Um das zu verstehen, muss man der Frage auf den Grund gehen, warum man überhaupt eine solche Reise unternimmt - und was man sich davon erhofft. Bei mir ist das Alleinsein ein wichtiger Grundbestandteil der Reise: es gibt schließlich viele Vorteile, die die Unabhängigkeit mit sich bringt. So kann man in seinem eigenen Tempo radeln, stoppen wo man will und kann wunderbar irrationale Entscheidungen treffen - der einzige, der sich beschweren kann, ist man selbst. Und das meiner Meinung nach wichtigste: man muss sich nicht erklären. Nicht vor anderen, nicht vor sich selbst. Dadurch, so finde ich, stellt man sich auch am ehesten infrage, durchdenkt seine eigenen Motive. Zudem bedeutet alleine zu reisen in der Regel eben eher nicht einsam zu sein. Man trifft viel mehr Menschen, wenn man alleine ist und kann flexibler reagieren - zum Beispiel, wenn man eingeladen wird.

Natürlich gibt es im Gegenzug auch einige Momente, in denen man sich einen Gesprächspartner wünscht - jemanden, mit dem man sich austauschen kann, der einem Rückendeckung gibt und einen absichert. Doch wenn man eben diese Absicherung nicht mehr hat, übernimmt man volle Verantwortung für sich selbst. Niemand ist da, dem man die Schuld für eine gebrochene Speiche geben kann - die Strecke hat man selbst herausgesucht. Niemand, der einem die gerissene Kette repariert und niemand, der sich die Beschwerden anhört. Und so übernimmt man Schritt für Schritt mehr Verantwortung für sich und seine Tour.

Das mag durchaus an meinem Alter liegen, und vielleicht gibt es einige, die nicht das Selbe denken: „alles schön und gut, aber was macht er, wenn doch einmal etwas passiert?“ Oder: „alleine zu Reisen mag ja Vorteile haben - aber für mich wäre das nichts“ sind nur einige der Gedanken, die zur Sprache kommen können, wenn ich über meine Reisephilosophie spreche. Und es stimmt: Alleine zu Reisen macht eben nicht immer nur Spaß. Aber ich empfinde es als eines der intensivsten Erlebnisse, die man haben kann - das gilt für die Höhepunkte, wie auch für die Tiefpunkte auf solch einer Reise.

Wenn man einen Reisepartner hat:

Mitten in Ontario, vor einem Restaurant, traf ich Bruce. Er hatte ein deutsches Touringrad mit Rohloff-Nabe, und war durch und durch technisch gut ausgestattet. Seine Tour? „Ich will von Winnipeg nach Ottawa - dann bin ich die ganze Strecke, von Küste zu Küste, geradelt!“ Wir unterhielten uns eine Weile, und beschlossen, den Tag gemeinsam zu radeln. Wir fanden in dieser Nacht einen guten Camp-Spot und so kam es, dass wir auch den nächsten Tag gemeinsam fuhren. Mittlerweile haben wir eine lange Strecke gemeinsam zurückgelegt, und werden wohl noch bis Toronto zusammen reisen. Bruce hat einen anderen Reiserhythmus als ich, doch das ist kein Problem. Wenn er anfängt zu radeln, liege ich meist noch in meinem Schlafsack, und so startet er meist mit einer Stunde Vorsprung. Da ich mit meinem Carbonrenner jedoch zügiger unterwegs bin, habe ich ihn um die Mittagszeit eingeholt, und wir essen gemeinsam zu Mittag. Tatsächlich radeln wir nur selten wirklich gemeinsam - zu unterschiedlich ist unsere Geschwindigkeit. Doch eben das ist kein Problem, wenn man damit umzugehen weiß.

Das Reisen mit einem Reisepartner bringt Sicherheit und einen Reiserhythmus mit sich, den man sonst vermutlich nicht hätte. Es ist auch toll, die Erlebnisse mit jemandem teilen zu können, doch natürlich hat es auch Nachteile: in Sachen Routenwahl, Übernachtungswahl und vielen anderen Entscheidungen ist man einfach gezwungen, Kompromisse einzugehen.

Das Fazit

Wenn man mit einem Freund eine Reise plant, wird man viele Kompromisse machen (müssen). Der gesamte Planungsaufwand ist in der Regel größer und man kann sich auch nie sicher sein, ob der andere nicht doch noch seine Meinung ändert. Sei es vor der Tour oder während des Trips. Wenn das passiert, hat man ein Problem, will man nicht alleine weiterreisen. Natürlich ignoriere ich hier die vielen Vorteile, die eine Reisepartnerschaft haben kann, aber im Grunde möchte ich vor allem eines sagen: Ein fehlender Reisepartner ist kein Grund, nicht los zu reisen. Ganz im Gegenteil. Denn gerade wenn man alleine unterwegs ist, trifft man viele Leute, und hat es einfacher neue Kontakte zu knüpfen. Jedem, der noch nie alleine verreist ist, möchte ich sagen: es ist intensiv und es wird Momente geben, an denen man aufgeben will, aber umso selbstsicherer ist man am Ende der Reise, wenn man weiß, was in einem steckt.

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